Russische Geschichte
Teil V: Kapitel 2
Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Die Stalin-Ära (1922 - 1953)
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1921 - 1927
Im Inneren löste Lenin den "Kriegskommunismus" durch die "Neue Ökonomische Politik" (NEP; Mischung von privater [Klein- und Mittelindustrie; Landwirtschaft] und sozialistischer Wirtschaftsformen; Zulassung ausländischen Kapitals; 1927 Vorkriegsstand) ab, um die zusammengebrochene Wirtschaft neu zu beleben.
bis 1922
Im Ergebnis des Sieges der bolschewistischen Kräfte im Bürgerkrieg wurden auch viele Randvölker des russischen Imperiums in den Föderalismus einbezogen. Es wurde die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gegründet (30. 12.).
1922
Der Vertrag von Rapallo (16. 04.; Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen; am Rande der Weltwirtschaftskonferenz in Genua geschlossen; Verzicht auf Erstattung der Kriegskosten; kein bündnisähnlicher Charakter; "Geist von Rapallo" [oft beschworene deutsch-sowjetische Verständigung gegen die Westmächte]) durchbrach zum erstenmal die außenpolitische Isolierung der Sowjetunion und Deutschlands und leitete eine enge militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit ein.
1923 - 1924
Die neue Verfassung kennzeichnete eine Konsolidierung der bolschewistischen Macht.
1924
Lenin stirbt (21. 01.). Die Macht konzentrierte sich im Politbüro (Triumvirat Stalins, Sinowjews, Kamenews gegen Trotzkij). Josef Stalin (Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili; sowjetischer Politiker; * 1878 (eigene Aussage 1879), 1953; 1922 Generalsekretär der KPdSU) wird der neue Herrscher in Moskau.
1925
Auf der 14. Parteikonferenz gelang es Stalin, seine These vom "Aufbau des Sozialismus in einem Lande" gegen Lew Dawidowitsch Trotzkijs (eigentlich Bronstein; sowjetischer Politiker; * 1879, 1940 ermordet; stand zwischen den Fraktionen der Bolschewiki [schloß sich nach der "Februarrevolution" an] und der Menschewiki; Volkskommissar für Äußeres 1917 - 1918, für Militärwesen 1918 - 1925; schuf die Rote Armee; verlor schrittweise alle Staats- und Parteiämter ab 1925; 1927 Ausschluß aus der Partei; 1928 Verbannung; 1929 Ausweisung aus UdSSR und Exil; 1938 IV. Internationale gegründet) Theorie der "permanenten Revolution" durchzusetzen.
bis 1928
Nacheinander schaltete Stalin prominente Bolschewiki aus: L. D. Trotzkij, Grigorij Jewsejewitsch Sinowjew (eigentlich Radomyslskij; sowjetischer Politiker; * 1883, 1936 hingerichtet; enger Mitarbeiter Lenins; 1919 - 1926 Vorsitzender der Komintern; 1927 als Führer der "Linksopposition" ausgeschlossen; 1936 im Schauprozeß verurteilt; 1988 Urteil aufgehoben), Lew Borissowitsch Kamenew (eigentlich Rosenfeld; sowjetischer Politiker; * 1883, 1936 hingerichtet; als Mitglied des ZK stimmte er 1917 gegen den bewaffneten Aufstand; 1919 - 1926 Mitglied des Politbüro; 1927 als "Linksoppositioneller" ausgeschaltet; 1936 im Schauprozeß verurteilt; 1988 rehabilitiert), Nikolaj Iwanowitsch Bucharin (sowjetischer Politiker; * 1888, 1938 hingerichtet; marxistischer Theoretiker; 1926 - 1929 Vorsitzender des Exekutivkomitees der Komintern; seit 1928 als Führer der "rechten Opposition" bekämpft; 1929 entmachtet; im 3. Moskauer Schauprozeß 1938 verurteilt; 1988 rehabilitiert), Alexej Iwanowitsch Rykow (sowjetischer Politiker; * 1881, 1938 hingerichtet; 1917 - 1918 Volkskommissar für Inneres; 1924 - 1930 als Nachfolger Lenins Vorsitzender des Rats der Volkskommissare; 1929 als Führer der "rechten Opposition" entmachtet; 1938 verurteilt [s. o.]) u. a.
1928
Mit dem 1. Fünfjahresplan, der die NEP ablöste, begann die Umwandlung vom Agrar- zum Industriestaat mittels eines rigoros erzwungenen Konsumverzichts. Die gleichzeitig durchgeführte Kollektivierung stieß auf Widerstand und rief Desorganisation und Hungersnot hervor.
Dem "Briand-Kellogg-Pakt" (27. 08.), der als Vertrag zur Ächtung des Krieges geschlossen wurde, traten 63 Staaten bei (Verzicht auf Krieg als Mittel zur Austragung von Streitigkeiten; Verteidigungs- und Sanktionskriege sind legitim). Aristide Briand (französischer Politiker; * 1862, 1932; 1925 - 1932 Außenminister; 1926 Friedensnobelpreis), Frank Billings Kellogg (US-amerikanischer Politiker; * 1856, 1937; 1925 - 1929 Außenminister; 1929 Friedensnobelpreis).
1929
Dem Außenminister Maxim Maximowitsch Litwinow (eigentlich Wallach; sowjetischer Politiker; * 1876, 1951; 1930 - 1939 Volkskommissar des Äußeren; als Verfechter eines Packtsystems gegen Deutschland mußte er zurücktreten; 1941 - 1943 Botschafter in den USA) gelang mit dem "Litwinow-Protokoll" (Sowjetunion, Rumänien, Polen, Lettland, Estland) im Rahmen des "Kellogg-Pakts" der entscheidende internationale Durchbruch (02. 02.). Damit wurde die UdSSR diplomatisch in den Kreis der Großmächte eingegliedert.
1930 - 1931
Die Bemühungen des Völkerbundes, die Vorschriften der Völkerbundsatzung im Sinne des Briand-Kellogg-Paktes zu erweitern, scheiterten.
1932
Es folgten ein Vertrag mit Frankreich und Nichtangriffspakte mit Polen (J. Pil-sudski), Lettland, Estland, Finnland.
1933
Diplomatische Anerkennung durch die USA.
1934
Mit der Aufnahme der Sowjetunion in den Völkerbund (1919 gegründet) vollendete sie ihre Einordnung in das Staatensystem der Welt.
seit 1934
Die Propagierung eines "Sowjetpatriotismus" wurde mit einem großrussisch orientierten nationalistischem Geschichtsbild untermauert.
seit 1935
Der feindlichen Haltung Hitlers suchte die Sowjetunion durch die "Volksfrontpolitik" zu begegnen.
1935
Abschluß von Beistandspakten mit Frankreich und der Tschechoslowakei.
1936
Die neue stalinsche Verfassung ist trotz ihrer demokratischen und föderativen Form der Ausdruck des konsolidierten autoritären Einparteienstaats.
1936 - 1938
In der "Großen Säuberung" vernichtete Stalin alle potentiellen Gegner und Hunderttausende treue Anhänger. Ihm fallen alle gestürzten und potentiellen Gegner mit ihren Anhängern zum Opfer: G. I. Sinowjew, L. B. Kamenew, M. P. Tomskij, A. I. Rykow, N. I. Bucharin, Karl Radek (eigentlich Sobelson; polnisch-sowjetischer Politiker; * 1885, 1939; bis 1923 wichtigster Verbindungsmann zu den deutschen Kommunisten; 1927 - 1929 Verbannung; an der Ausarbeitung der neuen Verfassung beteiligt; 1937 im 2. Moskauer Prozeß verurteilt; starb im Arbeitslager; 1988 rehabilitiert), L. D. Trotzkij (1940 in Mexiko) sowie ein großer Teil des Offizierskorps mit Marschall Michail Nikolajewitsch Tuchatschewskij (* 1893, 1937 hingerichtet; erfolgreicher Heerführer im Bürgerkrieg; 1931 - 1937 stellvertretender Kriegskommissar; modernisierte die Rote Armee; in einem Geheimprozeß verurteilt; 1956 rehabilitiert) an der Spitze.
seit 1936
Hitler beschleunigte die Ausrichtung seiner Politik auf den Übergang zur kriegerischen Expansion.
06.06.1937
Die Sowjetunion erobert die Arktis auf dem Luftwege (Drifteisstation
Nordpol-I) (Gespräch und Film).
1938 - 1939
Mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Hitler (März 1939) wird der Beistandspakt wirkungslos.
1939
Der überraschende Nichtangriffspakt mit Deutschland (23. 08.) beseitigte die letzte Schranke für den deutschen Angriff auf Polen und brachte Ostpolen an die Sowjetunion. Es wurden weitere europäische Interessensphären zwischen Hitler und Stalin aufgeteilt (z. B. Baltikum).
Mit dem deutschen Überfall unter Adolf Hitler (deutscher Politiker; * 1889, 1945 Selbstmord; verkündete 1920 das 25-Punkte-Parteiprogramm der NSDAP; 1921 Vorsitz; 1932 deutsche Staatsbürgerschaft; 1933 zum Reichskanzler ernannt; 1938 formal Oberbefehlshaber der Wehrmacht, 1941 übernahm er selbst den Oberbefehl über das Heer) auf Polen begann der 2. Weltkrieg (01. 09.; Revision des Versailler Vertrages; Kündigung des polnisch-deutschen Nichtangriffspaktes; ein britisch-französisches Ultimatum blieb unbeantwortet; Großbritannien und Frankreich erklärten Deutschland den Krieg [03. 09.]). Ostpolen wurde von der Sowjetunion besetzt. Ein deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag besiegelte die Teilung Polens.
1939 - 1940
Durch den "Winterkrieg" wurde die Abtretung Kareliens von Finnland erzwungen (März 1940; 1940 Ausschluß aus dem Völkerbund).
1940
Annexion Estlands, Lettlands, Litauens, Bessarabiens und der Nordbukowina durch Stalin (Juni; aufgrund der Absprachen mit Deutschland [besetzte Nordeuropa]).
Deutschland begann den "Westfeldzug" (10. 05.).
1941
Deutschland greift im Mittelmeer-Raum ein (Unterstützung Italiens; im Februar deutsche Truppen nach Libyen); im April im Balkangebiet.
1941 - 1943
Es begann der Wiederaufbau der Kirchenstruktur. Zum Abschluß konnte der langjährige Locum tenens des Patriarchenstuhles (Metropolit Sergij [Stragorodskij]) zum Patriarchen gewählt werden.
1941 - 1945
Nachdem es zu Meinungsverschiedenheiten mit Deutschland zu den Einflußsphären auf dem Balkan und weiterer Forderungen gegenüber Finnland gekommen war, überfiel Deutschland die Sowjetunion (22. 06.; Vernichtung des "jüdischen" Bolschewismus; "Großgermanisches Reich"; "Großer Vaterländischer Krieg"). Aus dem 2. Weltkrieg ging die Sowjetunion als Weltmacht ersten Ranges hervor. Sie annektierte weitere Gebiete (nördliches Ostpreußen, Karpato-Ukraine).
1941
Mit der Ausweitung des Krieges entstand die "Anti-Hitler-Koalition" (Großbritannien, USA, Sowjetunion [1942]).
seit 1942
An den meisten Fronten kam es zu einer Wende (See- und Luftschlacht bei den Midwayinseln; Schlacht um Stalingrad und bei Kursk; Landung alliierter Truppen in Nordafrika und Sizilien; U-Boot-Krieg brach zusammen). Die Initiative ging an die Sowjetunion über (1943).
1943
Konferenz von Casablanca (14. - 26. 01.; Koordinierung der Kriegspläne; alliierte Landungen; nur bedingungslose Kapitulation) mit Winston Spencer Churchill (britischer Politiker; * 1874, 1965; 1940 - 1945 Premier-Minister und Verteidigungsminister; 1951 - 1955 erneut Premier-Minister; 1953 Nobelpreis für Literatur) und Franklin Delano Roosevelt (US-amerikanischer Politiker; * 1882, 1945; 1933 - 1945 32. Präsident).
Konferenz von Teheran (28. 11. - 01. 12.) mit Churchill, Roosevelt und Stalin. Es wurde die Zusage der Errichtung einer "zweiten Front" im Westen gegeben. Die Sowjetunion beteiligt sich im Kampf gegen Japan. Grundsätzliche Einigung über die Aufteilung Deutschlands nach dem Sieg. "Westverschiebung" Polens (Oder-Curzon-Linie).
1944
Errichtung der "zweiten Front" mit der Landung alliierter Truppen in der Normandie (Juni).
1945
Auf den Konferenzen von Jalta (Krimkonferenz; 04. - 11. 02.; Erhaltung des Status quo in der Äußeren Mongolei [Mongolische Volksrepublik]; Wiederherstellung der russischen Rechte vor dem russisch-japanischen Krieg [1904; Süd-Sachalin und andere Begünstigungen]), London (26. 06. - 08. 08.; Londoner Abkommen über die Verurteilung von Kriegsverbrechern) und Potsdam (3. Konferenz der "Großen Drei" der "Anti-Hitler-Koalition" des 2. Weltkrieges; 17. 07. - 02. 08.; Koordinierung der alliierten Nachkriegspolitik zur Schaffung eines gerechten und dauerhaften Friedens [Potsdamer Abkommen]) behaupteten J. W. Stalin und sein Außenminister Wjatscheslaw Michajlowitsch Molotow (eigentlich Skrjabin; sowjetischer Politiker; * 1890, 1986; 1930 - 1941 Vorsitzender des Rats der Volkskommissare; 1939 - 1949 Volkskommissar des Auswärtigen; schloß 1939 mit Deutschland die Verträge; 1953 - 1956 Minister des Auswärtigen und Erster stellvertretender Ministerpräsident; 1956 - 1957 Minister für Staatskontrolle; 1957 aller wichtigen Ämter enthoben) ihre Stärke gegenüber den westlichen Alliierten: USA: Harry S. Truman (US-amerikanischer Politiker; * 1884, 1972; 1945 - 1953 33. Präsident; befahl Atombombenabwürfe; "Truman-Doktrin"; "Marshall-Plan"; "Punkt-4-Programm"), James Francis Byrnes (US-amerikanischer Politiker; * 1879, 1972; 1945 - 1947 Außenminister); Großbritannien: W. Churchill bzw. Clement Richard Attlee (seit 17. 07.; britischer Politiker; * 1883, 1967; 1945 - 1951 Premier-Minister), Anthony Eden (britischer Politiker; * 1897, 1977; 1935 - 1938 Außenminister; 1940 Kriegsminister; 1940 - 1945 und 1951 - 1955 Außenminister; 1955 - 1957 Premier-Minister) bzw. Ernest Bevin (seit 28. 07.; britischer Politiker; * 1881, 1951; 1940 - 1945 Arbeitsminister; 1945 - 1951 Außenminister).
Die Potsdamer Konferenz stellte an Japan ein Ultimatum zur bedingungslosen Kapitulation (26. 07.). Die Sowjetunion verpflichtete sich, bei Weigerung Japans dem Krieg gegen Japan beizutreten (Kriegserklärung am 08. 08.).
1945 - 1955
Die Außenpolitische Situation führte zu verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bündnissen: Vereinte Nationen (UNO, 26. 06. 1945; Sicherung des Weltfriedens durch Vermittlung und schiedsgerichtlichen Entscheidungen, durch Beobachtung und Untersuchung von Konflikten, durch Entsendung von Streitkräften, durch Sanktionen und Abrüstungsmaßnahmen; Menschenrechtsförderung), OEEC (1948), RGW (COMECON; 1949), NATO (1949), SEATO (1954), CENTO (1955), Warschauer Vertrag (1955).
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